HAREROD - Lichtbildreisen
Marcus Hasenstab - Dipl.-Ing. (FH) Elektrotechnik / AutomatisierungstechnikVersion 2112011513
Ein paar Bilder und Texte zu meiner Japanreise 2019.
...
Diese Galerie wird je nach Zeit, Lust und Laune ausgebaut. Bitte einfach bei Gelegenheit mal wieder vorbeischauen.
Da ein paar meiner Leser Japanisch lernen, habe ich einige Bilder nur wegen der Kanji hier eingestellt. Viel Spass beim Knobeln!
Ich erzähle im Folgenden auch Geschichten ohne Bilder. Obwohl ich die Kamera fast immer am Mann habe, lasse ich
sie beim Kontakt mit Menschen meist am Rücken hängen. Dies ist in meinen Augen ein kleiner Preis für
die vielen netten Begegnungen und ungezwungenen Gespräche.
...
Ankunft in Japan.
Nach Verzögerungen beim Abflug kam der Flug mit einer Stunde Verspätung in Osaka an. Der
für Ende des Monats geplante G20 Gipfel führt zu verstärkten Sicherheitskontrollen. Die Einreise
lief jedoch gewohnt japanisch-effizient. Um 0815h treffe ich Tamura-san und gegen 0900h habe ich mein Auto für
mich. Erst beim zweiten Hinsehen erkenne ich, dass das Auto zwei Magnetschilder mit der Aufschrift der
"Bitte um Rücksicht - Ausländer am Steuer" trägt, die daraufhin prompt verschwinden.
Das Wetter ist wie erwartet schwül-warm. Und die Stechmücken hatten auch schon genug Zeit um sich zu
vermehren.
Die vorbereitete Telefonnummer der Wakayama-Tokushima Fähre ist schnell ins Navi eingegeben. Gegen 1000h komme
ich am Fährhafen an, genau prechtzeitig zur 1035h Fähre. Zwei Stunden später bin ich in Tokushima.
Von hier aus folge ich der Küstenstraße #55 in Richtung Süden nach Kap Kamoda.
Kap Kamoda liegt am Ende einer sehr schmalen, kurvigen, streckenweise einspurigen Straße. Der langsam
schleichende Linksverkehr an sich ist zwar kein Problem, aber nach dem Flug doch etwas anstrengend. Nach einem
kurzen Besuch im Kap Kamoda Onsen fahre ich die Straße bis zum Besucherparkplatz am Onsen zu Ende. Der
Leuchtturm liegt 30m über dem Meeresspiegel. Wieder unten an der Kaimauer angekommen, habe ich viel Spass
mit den Funamushi - Urzeittieren die an große Asseln erinnern. Schon jetzt freue ich mich, dass ich die
Makrolinse eingepackt habe.
Durch meine verdrehte innere Uhr bin ich schon gegen 0400h wach. Sonnenaufgang ist um 0450h. Um diese Zeit hat es
am Meer angenehme 20°C. Ich bin zwar rechtzeitig oben am Leuchtturm, jedoch fällt der Sonnenaufgang
heute wegen Nebel flach.
Bei einem Abstecher ins Landesinnere lerne ich mal wieder auf die harte Tour, dass Hauptstrassen in Japan gerne mal
schmale, moosbewachsene Forstwege sind, die sich an steilen Abhängen entlang durch die spektakuläre
Kulisse winden. Ich folge zunächst der 35, dann der 195 und schließlich der 193 nach Süden.
Die 193 mündet in Funan(?) bei einer Lawson Station auf die 55. Hier versorge ich mich zunächst mit einem
kleinen Mittagessen. Danach fahre ich an den Strand. Kurz vor Ende der Stichstraße windet sich eine ca. 2m
lange schwarze Schlange über die Straße und verschwindet direkt neben dem Schild "Vorsicht Grubenottern"
im Unterholz. Am Strand ist Schwimmen verboten. Außerdem ist es mittlerweile schwüle 27°C. Ich
verlasse den Strand und mache etwas Pause im lokalen Einkaufszentrum. Bei Mugi-cha und Mochi stelle ich fest, dass
ca. 20km nördlich von hier ein Muschelmuseum ist.
Das Museum hat schon bessere Tage gesehen, die Fischbecken sind leer und man kann nur noch eine Ausstellung von
Muschelschalen bewundern. Die Ausstellung hat ein paar Schilder mit Furigana, die als Trainingsmaterial abgelichtet
werden. Nach dem Museumsbesuch ist es so heiß, dass ich mich ein Stunde im Auto hinlege.
Von hier aus geht die Fahrt weiter nach Kap Murato, vorbei an vielen Stränden und Fischereihäfen. Kurz vor
dem Kap halte ich bei drei großen Felsen. Hier werde ich von zwei äteren Japanern angesprochen, die mit
mir gestern auf der Fähre waren und mich wiedererkannt haben. Deutschland ist wohlbekannt, aber mit 75 Jahren
ist das lernen der deutschen Sprache wohl zu schwer. Beim Kap steigt die Straße zum Skyline Drive auf. Hier
kann man Pilgertempel 24 und den Leuchtturm besuchen. Nebenan gibt es eine Bauruine, die zu einer Neuauflage
meiner Klettertour von 2017 einlädt. Die Vernunft siegt jedoch ohne große Anstrengung.
Am Tempel sind einige Regenwürmer unterwegs. Deren Länge ist auch neben Schuhgröße 45 noch
recht beachtlich.
Nach ein paar Aufnahmen von einem japanischen Specht sitze ich
zum Sonnenuntergang über Kap Muroto, dem südwestlichen Zipfel Shikokus. Ab Einbruch der Dunkelheit
herrscht hier ein interessante Geräschkulisse. Es gibt hier u.a. auch Tanuki und Eulen, die immer wieder
recht laut aus dem Wald rufen.
Der Sonnenaufgang am Kap Muroto ist leider von Bäumen verdeckt. Um 0515 steigt der rote Ball jedoch recht zügig über die Baumwipfel. Ich mache mich auf den Weg über Kochi zum Ishizuchi-san. Der Berg liegt etwas nordwestlich der Inselmitte, auf der Linie Kochi-Matsuyama. Ich entscheide mich für die Anfahrt über die 194. Dies bringt mich genau zur morgendlichen Rushhour nach Kochi. Während die Blechlawine im Stop-and-Go durch die Stadt kriecht, kann ich die immer gleichen Schulkinder beobachten, die auf Fahrrädern auf dem Schulweg sind. Schließlich lasse ich die Stadt hinter mir fahre auf die 194.
Diese Straße bietet alles, was die Reiseführer über Shikoku versprechen. Der Weg folgt einem Fluß durch atemberaubende Täler, die auf beiden Seiten von steilen Bergen umrahmt sind. Ein auf dem Weg liegendes Onsen hat noch geschlossen, was sich später noch als glückliche Fügung erweisen wird. Ich mache ein Bild von vier fast flüggen Schwalben und fahre weiter. Ich lasse den Fluß hinter mir und durchquere die Berge mittels Pässen und Tunneln.
Am Ishizuchi (石鎚山) erreiche ich gerade noch die 1120 Seilbahn. Damit habe ich bis zur letzten Talfahrt um 1700 Zeit für den 4..5h Rundweg. Vorneweg gesagt - bei zunächst schwül-warmen 28°C ist der Aufstieg extra mühsam. Auf dem eigentlichen Gipfel in 1982m werde ich 5min verbringen. Dafür komme ich mit der 1640 Fahrt nach unten. Warum ich Salzflecken auf dem pitschnassen T-Shirt hatte und ein Onsenbesuch dringen notwendig war, zeigen die nächsten Bilder.
Der Aufstieg nach der Bergstation ist recht gemein. Zunächst steigt man von 1300m aus knapp 100m zu einem Tempel hoch, verliert dann auf 1km wieder 100m, um dann auf 2,6km fast 700m zu gewinnen.
Wer nicht immer dem langweiligen Wanderweg folgen will, kann mittels Eisenketten auch ein wenig abkürzen. Nicht nur liegen die Handschuhe im Auto, das Wetter verbietet mir solche Eskapaden. Der Baum im Bild 6550 wächst senkrecht! Die Kamera ist nun die meiste Zeit im Rucksack, deswegen ist das nächste Bild ein leicht verschwitztes Selfie am Gipfel. Der Hauptgipfel ist vom vorgelagerten Tempel nur über einen schmalen Grat zu erreichen. Grund genug für viele Bergwanderer, um auf diese letzten Meter zu verzichten. Obwohl ein gutes Dutzend Leute am Tempel sind, habe ich hier die ganze Zeit meine Ruhe. Eine Eisenkette wird zur einzigen Möglichkeit um die letzten paar Meter vom und zum Tempel zu überwinden. Ich merke, dass ich seit dem Ellenbogenbruch in 2017 einiges an Kraft verloren habe. Zeit für gute Vorsätze nach meiner Heimkehr.
Auf dem Rückweg zur Seilbahn habe ich etwas mehr Puste übrig, so dass ich den Wanderweg in seiner vollen Pracht festhalten kann. Als das Zirpen der Zikaden wieder einsetzt, komme ich an ein paar buddhistischen Ameisen vorbei. Die letzten paar Kilometer lege ich in Begleitung einer Zahnärztin aus Hiroshima zurück, die mich als jungen Hüpfer bezeichnet und bis zur Talstation ein paar Brocken Englisch an den deutschen Mann bringt.
Kurz nach Sonnenuntergang, wenige Meter vor dem Parkplatz auf dem ich diese Zeilen schreibe, läuft mir ein seltsamer Vogel vor die Scheinwerfer. Könnte das eine Dommel sein?
Heute Morgen lasse ich es erstmal gemütlich angehen. Nach der ersten Tasse Tee fahre ich runter zu dem Stausee, um den sich die Zufahrtsstraße zum Ishizuchi-san schlingt. Dort setze ich mich in meinen Campingstuhl und lerne mal wieder Kanji. Außerdem mache ich ein paar Bilder von diesem schönen Fleck. Neben dem Toirettenhäuschen hat ein Rasenmäher seine letzte Ruhestätte gefunden.
Als gegen 1000 ein paar Leute kommen und ihren Laubbläser warmlaufen lassen, beginne ich meine Fahrt nach Süden.
Von der 194 wechsle ich auf die 439, der ich bis in den Südwesten folge. An dieser Strasse liegt das Bergdorf Nishimura. Die pittoreske Ortschaft ist entlang des Flusses gebaut. Die Berghänge hoch ziehen sich Teeplantagen. Bauraum ist sehr knapp und jedes Kubikfitzelchen Bauraum wird kreativ genutzt. Kann jemand den LKW Parkplatz finden?
Ab Nishimura setzt auch Regen ein, so dass ich den ersten Eindruck von der Stärke des hiesigen Niederschlags bekomme. Nach einigen Kilometern komme ich an eine Baustelle, welche nur jede Stunde für zehn Minuten den Verkehr durchlässt. Die Wartezeit verbringe ich unter dem Regenschirm im strömenden Regen im Gespräch mit dem Verkehrslotsen. Zum Bilder machen kommt es leider nicht, weil ich irgendwann mit klatschnassen Klamotten ins Auto hechte, um die Baustelle zu durchqueren. Zum Glück trage ich deutsche Touristenuniform: T-Shirt, Shorts, Socken, Sandalen. Ich halte bei nächster Gelegenheit an, um eine trockene Uniform anzuziehen.
Das Bild mit dem Schild zeigt die 439 an einer gut ausgebauten Stelle. Zwischenzeitlich sind Geschwindigkeiten über 30km/h möglich. Es gab einigen Gegenverkehr, einmal musste ich gut hundert Meter rückwärts kurven, um einem von mehreren Baustellenlastern Platz zu machen. Nach langer anstrengender Fahrt komme ich schließlich an einem der längsten Strände Japans an.
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Kap Ashizuri bildet den südlichsten Punkt von Shikoku. Zusammen mit Kap Muroto im Osten bildet es die
Tosabucht. Diese Gegend hat viele historische Persönlichkeiten hervorgebracht. Eine davon ist Nakahama no
Manjiro, im Westen bekannt als John Manjiro. In seinem Geburtsort gibt es eine Replik seines Geburtshauses, welches
auf dem Nachbargrundstück vom Original gebaut
wurde. Vom Original gibt es noch den Brunnen. Die ganze Geschichte erinnert ein bisschen an meinen Wohnort
Buttenheim, welches Levis Strauß feiert.
Ich komme zur unmöglichen Uhrzeit von 0630 an, nur um direkt vor Ort vom Museumschef begrüßt zu
werden. Er spendiert mir eine Dose eiskalten Kaffee und öffnet für mich die Ausstellung. Wir
unterhalten uns über Manjiro und seine Verdienste um Japans Auslandsbeziehungen. Das Museum beinhaltet
Originale und Repliken von Gegenständen aus dem 19. Jahrhundert.
In den nächsten zwei Stunden lerne ich viele neue Kanji-Lesungen, während ich einen Blick ins
Feuerwehrhaus und die lokale Fischfabrik werfen darf. Am Hafen posiert einer der in Japan allgegenwärtigen
Greifvögel, in Nagasaki-ken als Tonbi bekannt, für mich.
Ein paar Kilometer weiter, am Kap selbst, mache ich eine morgendliche Wanderung zum Leuchtturm und einem
Felsentor. Bild 6757 zeigt meine Gänsehaut, nachdem urplötzlich die Stimme einer Zikade neben meinem
Ohr die morgendlich Stille zerreißt.
Weiter entlang der Küstenstraße gibt es im Meer ein 1972 eröffnetes futuristisches Bauwerk.
Im dessen Inneren steigt man eine Wendeltreppe hinab und gewinnt durch Bullaugenfenster einen Einblick in die Welt
einige Meter unterhalb
des Meeresspiegels. Ich sehe viele interessante Fische, manche Arten das erste Mal. Besonders putzig finde ich
die Kugelfische, die hier in Größen zwischen wenigen Zentimetern bis fast einem Meter herumschwimmen.
Wieder aufgetaucht mache ich mich auf den Weg zur Fähre nach Kyushu. Mittels gut ausgebauter Land- und
Expressstraßen lege ich die 120km zum Fährhafen bei Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 80km/h in etwa
zweieinhalb Stunden zurück. 10 Minuten vor Abfahrt komme ich an und, wie so oft, geht mein Auto als letztes
an Bord. In Kyushu angekommen suche ich mir erst ein Onsen und dann eine ruhige Stelle zum Schlafen. Während
ich diese Zeilen schreibe, blinken draußen die Glühwürmchen über dem Bach.
Bei sonnigem Sonntagswetter durchquere ich Kyushu auf dem Weg nach Hirado. Mit auf der Straße sind
unzählige Sonntagsfahrer. Fast 300km später komme ich in Hirado an. Nach einem Besuch im Mamoruku Cafe
gehe ich noch kurz ins Onsen und ziehe mich dann auf meinen Schlafplatz mit Ausblick aufs Meer zurück.
Bei einer Tüte Chips mit Seetang und Salz Geschmack genieße ich den Sonnenuntergang.
Das Wetter auf Hirado ist angenehm kühl und windig. Nur ein paar Wolken ziehen über den blauen
Himmel. Ich bin gespannt auf die erste nächtliche Polizeikontrolle. Das Osaka Kennzeichen schürt hier
immer einen Anfangsverdacht, da kaum ein Japner so verrückt ist, diese weite Strecke mit dem Auto
zurückzulegen.
Jetzt beginnt ein anderer Abschnitt der Reise. Mit Hilfe von Freunden und Bekannten erprobe ich mein aus
Büchern gewonnenen Japanisch im echten Leben. Mein Tag beginnt mit einem Besuch im Waschsalon. Mit Hilfe
einer Japanerin meistere ich die Magie der Bedienung der Waschmaschine. Technik ist ja bekanntlich nicht so meine
Stärke. Nun habe ich 40 Minuten Zeit, um die alte Hauptstraße zu erkunden. Es ist ein typischer
Montagmorgen. Schulkinder gehen zur Schule, Angestellte auf die Arbeit und Läden öffnen sich dem
Publikum. Ich besuche einen japanischen Naschladen und kaufe mir eingelegten Seetang zum Knabbern. Ein paar Meter
weiter schenkt mir eine Verkäuferin ein kinderfaustgroßes Stück Kamaboko. Diese lokale
Spezialität ist ein in Stroh gewickelter Fischkuchen, dem Leser vielleicht als einzelnes dünnes
Scheibchen als Suppeneinlage in Ramen bekannt.
Diese Fischkuchen bestehen aus im rohen Zustand fein gemahlenem Fisch, der dann gekocht wurde. Obwohl auch kalt
recht lecker, ist damit mein Bedarf an Fisch für den heutigen Tag gedeckt.
Gestern hat es aufgeklart, so dass ich nach Einbruch der Dunkelheit Sterngucken war. Der Kawachi Pass liegt 200m
über dem Meer, was einen sehr schön freien Horizontblick nach Osten und Westen erlaubt. Dank Stellarium
im Nachtmodus auf dem
Tablet kann ich viele Sterne bestimmen, die zu Hause schwer zu erkennen sind.
Beginnen wollte ich eigentlich mit Jupiter. Allerdings ist mir im Dunkeln der Kopf des leichten Reisestativs
zerbrochen. Damit war es schwer, mit Spiegelverriegelung und langer Brennweite zu arbeiten. Die besten Aufnahmen
zeigen zwei Jupiter mit doppelt sovielen Galileischen Monden wie allgemein angenommen. Ich habe daher noch ein
paar Weitwinkelaufnahmen vom Autodach aus gemacht.
Es ist kein Wunder, dass ich heute Morgen so müde war, die letzten Bilder wurden gegen 2325 aufgenommen.
Während mein Auto noch im Schatten liegt, steige ich auf den Hügel südlich meines Parkplatzes.
Ich bin allein mit ein paar Vögeln und genieße den Blick aufs Meer.
In der Nacht zum 26.Juni erreicht der von den Landwirten lang ersehnte Regen endlich auch Hirado.
Die Landwirtschaft benötigt viel Wasser und die Speicherbecken sind bereits recht leer.
Selbst im stehenden Auto ist die Wassermenge, die sich wolkenbruchartig niederschlägt, spektakulär.
Nach Ende des Regens bleibt in der Luft eine Menge Nebel zurück. Die Sichtweiten liegen
teilweise deutlich unter 50m. Die Temperatur sinkt nun auch nachts nicht mehr unter 23°C und die
Luftfeuchtigkeit liegt bei gefühlten 100%.
Am 27. klart es um die Mittagszeit auf. Aufgrund einer Einladung besuche ich eine Bekannte und deren Familie
im elterlichen Friseursalon auf Ikitsuki. Wir machen gemeinsam einen kurzen Abstecher zum Obae-Leuchtturm
an der Nordspitze der Insel.
Die Nagasaki-Präfektur war um das Jahr 1600 herum Schauplatz massiver Christenverfolgung. Der
christliche Glaube mit seiner unbedingten Hörigkeit gegenüber Rom wurde von der Regierung als
Bedrohung für den inneren Frieden wahrgenommen. Strenggläubige Christen konnten bestimmte Treueschwüre
nicht ablegen und wurden dadurch zu Feinden des Staates. Aus meiner Sicht ist es unvorstellbar, dass sich in
diesem Land noch vor wenigen hundert Jahren Szenen abgespielt haben, wie sie aus Neros Zeiten berichtet werden.
Viele Christen versteckten sich vor der Regierung in entlegenen Gebieten, so auch auf den Inseln der
Nagasaki-Präfektur, wie Hirado, Ikitsuki und auf den Goto-Inseln.
Im letzten Jahr habe ich mit Hilfe eines ortskundigen Führers verschiedene Verstecke und
Hinrichtungsstätten besucht. Diese Orte sind heute für alle drei großen Religionen Japans,
Shintoismus, Buddhismus und Christentum, heilige Orte. Einer davon ist das Grab des Gaspar, dem getauften
Fürsten von
Süd-Ikitsuki. Sein Glaube und seine Unterstützung anderer Christen machten ihn in den Augen seiner
Obrigen zu einem Verräter, der schließlich im Jahre 1609 hingerichtet wurde. In den letzten Jahren
hat der Film "Silent", diesen Teil der lokalen Geschichte einer breiteren öffentlichkeit ins Gedächtnis
gerufen. Nach diesem Ausflug in die düstere Vergangenheit hole ich mir am Hafen noch ein Eis, welches ich
unter den wachsamen Blicken der allgegenwärtigen Tonbis verzehre.
Abends liegt der Kawachi-Pass unter einer dichten Wolkendecke. Eine schöner Blick auf die
Hirado-Festland-Brücke lädt zu ein paar Nachtaufnahmen ein.
Ich schreibe diese Zeilen am Morgen des 28.06.. Es hat schwüle 24°C und die Sichtweite beträgt knapp
50m. Die einzige Schönheit die ich dieser drückenden Schwüle abgewinnen kann zeigt sich in dem
Spinnennetz, das meine Bank ziert.
Eine Woche Regen ist gemeldet. 27°C bei gefühlten 100% Luftfeuchtigkeit sind schon eine Ansage. Ich
ertappe mich dabei, den Motor abends laufen zu lassen, nur um etwas kühle und vor allem trockene Luft in das
Auto zu pumpen. Frisch gewaschene Wäsche, die noch leicht feucht aus dem Trockner kommt, will einfach nicht
durchtrocknen. Die Tage verbringe ich nun in langen Gesprächen mit Freunden und Bekannten. Ein wahrer
Glücksfall ist das Zusammentreffen mit der lernbegeisterten 14-jährigen Tochter einer Bekannten. Wir
lernen zusammen Englisch. Ihr Englischlevel ist etwas höher als mein Japanlevel. Für mich eine ideale
Gelegenheit meine Japanischkenntnisse zu erweitern. In den gemeinsamen Sitzungen zeigt sich aber vor allem eine
Tatsache: Die japanischen Schulkinder müssen sich beim Lernen von Englisch auch eine komplett neue Denkweise
aneignen. Die Beispielsätze in den Schulbüchern enthalten Ausdrucksweisen, die kein Japaner in dieser
Form in seiner Muttersprache verwenden würde.
Am Morgen des 29. wache ich auf dem Parkplatz der Waldgaststätte eines Bekannten auf. Der Niederschlag
durchläuft Zyklen von stark, nach Niesel, nach Pause. Vor Ort gibt es eine
alte Wassermühle. Ich nutze die
Gelegenheit, um am Mühlteich ein paar Frosch- und Raupenbilder zu schießen. Der Frosch hat
tatsächlich nur ein Auge. Er hat sich vor ein paar Tagen schonmal von mir auf die Hand nehmen lassen. Die
Raupenbilder zeigen mal wieder die Leistungsfähigkeit der 100mm Makrolinse, in diesem Fall mit
vorgeschaltetem Polfilter. Die Bilder wurden noch nicht in Lightroom nachbearbeitet.
Vor lauter Luftfeuchtigkeit brauche ich jeden Tag frische Kleidung. Daher ist am Abend mal wieder Waschen angesagt.
Die Lage der Münzwäscherei am Hafen ermöglicht während des
bewährten 40min Zyklus ein paar interessante Aufnahmen.
Am Morgen des 30. wache ich nach wenig Schlaf in einer regnerischen und windigen Nacht um 0810 auf, nur um
festzustellen, dass meine Englischlehrerin ab 0850 in der Bibliothek wartet. Also mache ich das, was jeder Japaner
machen würde - ich halte unterwegs kurz beim Konbini und hole mir einen Kaffee und ein paar Brötchen und
hetze weiter auf die "Arbeit". Die Hirado-Bibliothek liegt unterhalb des Schlosses und bietet einen gigantischen
Ausblick auf die Festlandbrücke und das Meer.
Der Regen setzt sich unermüdlich fort. Zumindest hat es etwas abgekühlt. Während der Regen aufs
Autodach trommelt, sitze ich hier wegen der Motorrestwärme bei erträglichen geschätzten 25°C.
Draußen ist es windstill bei 20°C, so dass ich auf eine angenehme Nachtruhe hoffen kann.
Heute Morgen gab es wieder mal einen schönen Blick aufs Meer. Ich bin danach noch auf den Hügel gestiegen
und habe tatsächlich einen verirrten Sonnenstrahl erhascht.
Die Gegend hat für deutsche Verhältnisse erstaunlich wenig Schnecken. Ich habe mich richtig gefreut, als
mir heute früh eine auf dem Parkplatz begegnet ist. Heuschrecke heißt auf Japanisch "Batta" - und
tatsächlich machen die hießigen Heuschrecken beim Fliegen ein Geräusch, das wie "batta, batta" klingt.
Die heftigen Niederschläge sorgen jeden Tag aufs neue für interessante Wolkenformen. An manchen Tagen
ist der Pass auch komplett in Wolken gehüllt, so dass die Sichtweiten auf wenige Meter absinken. Ich
vermisse zwar die von Sonnentagen her bekannten Farben, aber auch diese Stimmung hat ihren Reiz.
Die Täler im Inneren der Insel beherbergen viele Reisfelder. Diese sind durchzogen von engen Wegen, auf
denen man sich im Auto den zahlreichen, teilweise recht scheuen, Bewohnern nähern kann.
Die nächste Bildreihe möchte ich fast mit "unter Geiern" betiteln. Am Fischereihafen von Ikitsuki
warten unzählige Vögel geduldig darauf, dass beim Aussortieren etwas abfällt. Auf der Westseite der
Insel gibt es den sogenannten Sunset Drive. Bei passendem Wetter kann man von hier aus auf der einen Seite der
Straße wunderschöne Sonnenuntergänge über dem Meer beobachten, während auf der anderen
Seite steile Klippen aufragen. Ich sitze etwas länger hier und genieße den Blick auf die Klippen. In
den Klippen wohnen Raben, von denen einer starkes Interesse an meinem PC zeigt.
Den Abend verbringe ich mit Freunden, von deren Haus aus wir den Sonnenuntergang beobachten. An diesem Abend
finde ich zu meiner überraschung eine Krabbenspinne auf der Gästetoilette. Im Vergleich zu den
australischen Riesenkrabbenspinnen, die eine Spannweite von 30cm erreichen können, sind diese Tierchen
verhältnismäßig klein. Das ganze Tier scheint die Masse einer Maus zu haben.
Wenn sie über japanische Holzböden rennen, machen sie tribbelnde Geräusche - jedes Tier klingt wie
zwei Mäuse. Hinter der Toilette ist ein kleines Fenster, von dem aus eine Spinne am nächsten Morgen mit
lautem Klatschen vor mir auf den Spülkasten springt, um sich dann hinter dem Mülleimer zu verstecken.
Währenddessen sitzt ihre Freundin von außen in Gesichtshöhe am Reispapierfenster der Schiebetür.
Als ich die Tür einen Spalt öffne, kommt sie flugs hereingekrabbelt und rennt die Wand entlang in
Richtung Fenster. Das mag für uns recht exotisch klingen, aber die lokalen Freunde versichern mir, dass
sie diese Spinnen gerne im Haus haben. Sie springen weder Menschen an, noch beißen sie, noch sind sie giftig.
Der Regen läßt den falschen Saffran blühen, im Kindermund wird diese Pflanze auch "Amebana" -
"Regenblume" genannt.
Gestern Nacht sind mir noch ein paar interessante Tierchen vor die Linse gekrochen. Der Hundertfüßler
ist ein ungern gesehener Gast. Die knapp 10cm langen Gliedertiere sind für ihren schmerzhaften, in manchen
Fällen sogar lebensgefährlichen Biss bekannt. Viel sympathischer ist da doch so ein Gecko. Diese
Tierchen scheinen auch manchmal danebenzuspringen, auf jeden Fall ist mir einer von der Decke herunter vor die
Füße gefallen. Am Parkplatz war dann der Nebel wie eine Wand. Auf dem grauen Bild zeichnet das Standlicht
meines Autos meinen Schatten in den Nebel. Hechtsuppe, hätten wir früher dazu gesagt.
Heute morgen war der Kawachi-Pass in den Wolken. Nach dem Frühstück hatte ich genug von taubehangenen Spinnweben und bin
nach Ikitsuki gefahren. Etwas abseits der Straße, am Sakura-Staudamm, habe ich das Auto geparkt und die
100mm Makrolinse auf die Kamera geschraubt. Die Bilder enstanden in 20m Umkreis um meinen Parkplatz. Das Gebüsch
wimmelte vor lauter verschiedenem Getier.
Wie an anderer Stelle schon beschrieben, wurden die Bilder noch nicht in Lightroom entwickelt.
Nach den Aufnahmen habe ich mich ins Auto gesetzt und alle Fenster, sowie die Heckklappe aufgemacht. Irgendwann
ist dann der kleine Piepmatz für eine Freihandaufnahme mit der 400mm Linse durch die offene Heckklappe
vorbeigekommen.
In Japan werden auch in Siedlungsgebieten freistehende Flächen für die Landwirtschaft genutzt. Dadurch
kann man direkt neben Wohnhäusern und Industriebetrieben viele Tierarten beobachten.
Die von mir bevorzugt benutzte Wäscherei liegt am Hafen von Hirado, mit schönem Blick auf die Burg.
An klaren Tagen zeigt sich die Insel ihre Farben in voller Pracht. Das satte Grün geht an den Stränden
über in das tiefe Blau des Meeres. Der bekannteste Badestrand von Hirado liegt beim örtchen Neshiko.
Ein paar Kurven außerhalb vom Ort liegt die Salzgewinnungsanlage von "Salt Man" Imai. Das Meerwasser hat
anfangs 4% Salzgehalt. Der Salzgehalt wird zunächst durch Verdunstung und schließlich in einem
Siedeprozess erhöht. In der dabei enstehenden Salzlauge wachsen langsam Kristalle heran.
An einer Straßenkreuzung inmitten der Insel gibt es einen Konbini (24 Stunden Laden), dessen Parkplatz
von einem wilden Tiger bewacht wird. Das Tier ist hungrig, aber frei. Ihm fehlt die hier übliche Kennzeichnung
für Hauskatzen: Entweder ein gebrochener oder ein halb-kupierter Schwanz.
Was Insekten angeht, teilen sich Japaner in zwei Lager: die einen finden Krabbeltiere jeglicher Art abstoßend,
die anderen sind mit Begeisterung auf der Jagd nach Kerbtieren. Besonderer Beliebtheit erfreuen sich bei großen
und kleinen Kindern insbesondere Hirschkäfer und Nashornkäfer. Ein Exemplar ist zu später Stunde
auf einer Grillparty aufgetaucht, wohl um nach der Uhrzeit zu fragen.
Während der schwül-heißen Regenzeit erklärt sich mal wieder der Sinn der überall in
Japan aufgestellten Getr&aum;nkeautomaten. Die beiden hier gezeigten Automaten stehen an einer komplexen Kreuzung
mitten im Wald und markieren praktischerweise die recht versteckte Zufahrt zum Haus eines Bekannten.
Am Abend besuche ich den Schloßberg von Hirado. Der Park sieht ganz anders als beim letzten Besuch im April 2018.
An der Sumo-Halle mache ich ein paar Aufnahmen vom Schloß, der Hirado-Brücke und unzähligen Libellen.
Wieder am Kawachi-Pass angekommen, bewundere ich die Abendstimmung.
Nach Einbruch der Dunkelheit finde ich noch eine grußelige Szene vor - einer der gefürchteten
Hundertfüßler ist Opfer einer Spinne geworden und wird vor meinen Augen ausgesaugt.
Eine geographische Besonderheit Japans ist die Verteilung der Besiedelung. Obwohl der Inselstaat deutlich mehr Fläche als Deutschland hat, beschränkt sich der weitaus größte Teil der Besiedelung auf die Küstengebiete. Das Landesinnere ist meist zu steil für Nutz- und Siedlungsflächen. Das hat zur Folge, dass in den Ballungsgebieten die Leute hasenstallartig neben- und übereinander wohnen, während die umliegenden Steilhänge riesige Waldgebiete beherbergen. Daher sind auch die Hauptverkehrsadern, sowohl Straßen, als auch Bahnlinien, meist entlang der Küstenlienien angeordnet.
Eine Ikone der japanischen Ingenieurkunst sind sicherlich die Hochgeschwindigkeitszüge der Shinkansen-Linien, welche die großen Städte miteinander verbinden. Das Shinkansennetz wurde von vorneherein konsequent für hohe Geschwindigkeiten ausgelegt. Auf denselben Gleisen fahren Züge mit verschiedenen Namen. Sie unterscheiden sich weniger in der Reisegeschwindigkeit, als in der Anzahl der Haltestellen. Reisezeiten von Hakata nach Shinosaka reichen von circa zwei bis vier Stunden. Wenn man von Osaka aus ein kleineres Ziele wie zum Beispiel Yamaguchi anfahren möchte, kann man bis Hiroshima mit dem "Sakura" fahren, und dort in den Bummelzug "Kodama", der an jeder Milchkanne hält, umsteigen. Ich mag den vorhergehenden Satz. Der Bummelzug fährt auf Strecke auch 300km/h. Zum Vergleich - auf den Expressstraßen sind üblicherweise 80km/h erlaubt. Mit dem Auto beträgt die Fahrzeit von Hakata nach Osaka acht Stunden. Nebenbei sind die aktuellen Shinkansenzüge der 700er Serie auch irgendwie unglaublich photogen.
Meine Reise ging mit dem Auto zunächst von Hirado nach Sasebo. Von dort mit dem Frühzug nach Saga. Ab dann weiter mit einem Pendlerzug nach Shintosu. In Shintosu war es dann endlich soweit - mein erster Shinkansen rollte an den Bahnsteig und ich durfte einsteigen.
Alles am Shinkansen weist auf Geschwindigkeit hin. Außer an den Endstationen dauern die Halts nur
etwa 2 Minuten. Passagiere werden bei der Anfahrt zum Bahnhof per Lautsprecher darauf hingewiesen, dass sie sich zum Aussteigen bereit machen sollen.
Um an diesem Tag nicht nur Eisenbahn zu fahren, habe ich mir als Zwischenstation Himeji ausgesucht.
Das auch als "Weißer Reiher" bekannte Schloß liegt nur wenige hundert Meter vom Bahnhof entfernt.
Ohne Hirado untreu werden zu wollen, muss ich zugeben, dass die Anlage sehr beeindruckend und auf jeden Fall
einen Besuch Wert ist. Allerdings ist diese Sehenswürdigkeit natürlich auch Anlaufstelle für
unzählige Pauschaltouristen aus aller Herren Länder, die vor lauter Reizüberflutung nur noch in der
Lage sind, übers Wetter zu reden oder sich einfach nur ins nächste Hotel sehnen. Genau wie "Europa in
fünf Tagen" ist auch eine Woche Japan, mit Station bei allen kulturellen Schwerpunkten, keine Erholungsreise.
Am Eingang gilt es die Schuhe auszuziehen und in Plastiktüten verpackt durch das Schloss zu tragen. Die Dame
mit den Tüten ist von meinem Paar Renegade Kaliber 45 sichtlich beeindruckt. Aber mit etwas Geduld
bekomme ich sie dann doch in die Tüte.
Die zahlreichen Beschriftungen und Hinweisschilder sind recht witzig,
zum einen aufgrund des Engrish, zum anderen aufgrund ihrer Absurdität. Nachdem ich mich durch mehrere 160cm
hohe Türen geduckt habe, komme ich an ein Tor, das von zwei Schildern "Watch Your Head" flankiert wird.
Entspannender als das Schloss selbst ist der naheliegende Garten. Wenn man beim Schloss 40 Yen
(30 Eurocent) auf die 1000 Yen Eintritt zuzahlt, bekommt man ein Kombiticket für Garten und Schloß. Japan...
Im Teehaus nutze ich die Gelegenheit zu einer Schale Matcha. Die Anleitung für die Teezeremonie ist etwas
schwer, so dass meine Wirtin aufgrund meiner fragenden Blicke noch einen Dolmetscher hinzuzieht. Bald ist das Eis
jedoch gebrochen und wir unterhalten uns im Englisch/Japanisch-Mix über die Geschichte und Traditionen und
kulturelle Bedeutung von Teehäusern.
Heute verbringe ich einen wunderschönen Tag mit Freunden aus Sakai/Osaka. Ich wusste im Vorfeld nur, dass wir
Ajisai anschauen würden, zu Deutsch Hydrangea. Tatsächlich geht unsere Zugfahrt in das eine Stunde
entfernte Nose. Dort nehmen wir zunächst eine sogenannte "ropeway", eine seilgezogene Hangbahn. Danach
geht es mit dem Sessellift weiter nach oben. Im Sessellift schweben wir dicht über einem Spalier von
blühenden Ajisai dahin. Von oben haben wir dann eine Aussicht in Richtung Meer. Bevor wir wieder nach unten
fahren, grillen wir gemeinsam unser Mittagessen. Zu diesem Zweck kann man direkt vor Ort einen Grillplatz mieten und die
Zutaten für ein leckeres Essen kaufen.
Als Zwischenstation habe ich mir heute Yamaguchi ausgesucht. Ich verlasse um 05:45h das Hotel und gehe im
Nieselregen zum Bahnhof. Die nette Empfangsdame im Hotel drückt mir vorher noch ein Päckchen Saft und
ein hartgekochtes Ei in die Hand, da ich ja vor der offiziellen Frühstückszeit losziehe. Auf dem Weg
zum Bahnhof fällt mir eine Autowerbung ins Auge. überhaupt habe ich immer wieder Spaß an der
Namenswahl von Unternehmen. Was für ein Problem hat ein "Juicer"? Klingt wie eine krankhafte Sucht nach
frischgepresstem Obst.
Wie der Name vermuten läßt, liegt Yamaguchi am Ende eines langezogenen Tales. Die
hübsche Lage der Stadt ist mir schon mehrmals im Vorbeifahren von der Autobahn aus aufgefallen.
Gestern Abend im Hotel habe ich eine liebe Bekannte gefragt, was man mit zwei Stunden Aufenthalt in Yamaguchi
anstellen kann. Ich habe den Tipp bekommen, dass es hier eine bekannte fünfstöckige Pagode gibt. Vom
Bahnhof kommend führt der Weg dorthin an einem Einkaufsviertel vorbei. Nach einem Rundweg von knapp drei
Kilometern ist mein T-Shirt trotz Regenschirm durchtränkt mit Schweiß und Regen. Zum Glück habe ich
ja Ersatz dabei.
Um möglichst zügig nach Yamaguchi zu kommen, nutze ich zwei Shinkansen. Mit dem schnellen Sakura fahre
ich von Shinosaka bis Hiroshima, dort wechsle ich in den Kodama, der mich nach Shinyamaguchi bringt. Von dort
geht die Fahrt mit einem "Wan Man" (One Man Crew) Dieseltriebwagen nach Yamaguchi.
Die letzten Tage vor der Heimreise verbringe ich mit Freunden. Es macht Spaß, die Zutaten für allerlei
deutsche Gerichte in verschiedenen Läden zusammenzusuchen und die entstandenen Speisen an Kindern und
Erwachsenen auszuprobieren. Der japanische Geschmack ist anders angelegt, als bei uns Deutschen. Bei uns kennt
zwar jeder den scharfen Wasabi, jedoch ist der Geschmack der meisten japanischen Gerichte viel feiner nuanciert
als bei uns. Gerade für die Kinder lege ich den Geschmack schwächer aus und bitte die Erwachsenen
gegebenenfalls nachzuwürzen. Beim Kochen kommt es immer wieder zu lustigen Momenten. In den letzten Wochen
hatte ich für meinen Geschmack etwas zu wenig Grünzeug. Als ich voller Begeisterung eine viertels,
aus meiner Sicht harmlose, Gemüsezwiebel esse, schüttelt es die ganze Gastgeberfamilie.
Ein andermal bleibt beim Nudelsalatzubereiten eine Karotte übrig. Diese schneide ich in Sticks und fange an, einen
davon zu Essen. Die Kinder schauen mich ungläubig an. "Karotten darf man doch nicht roh essen!" Ich
erkläre den Kindern, dass rohe Karotten wirklich nicht giftig sind. Die Vierzehnjährige ißt mit
Todesverachtung ihren Stick zu Ende, der Siebenjährige gibt seinen an mich zurück. Als die Mutter
heimkommt ist das erste was sie zu hören bekommt: "Mama, Mama, Marcus ist rohe Karotten gegessen und hat uns
auch welche essen lassen!" Mutter schaut mich ungläubig an, was ich mit ihren Kindern anstelle...
Abends beim
Grillen mache ich mir einen Spaß und lege rohe Karottensticks zum Gemüse. Die Dinger erregen fast mehr
Aufsehen als meine Frikadellen oder mein Nudelsalat. Man stelle sich eine Party vor, auf der mit Begeisterung
roher Fisch und Kugelfisch gegessen wird - und die Leute haben Abscheu vor rohen Karotten.
Meine Nächte verbringe ich wie immer oben auf dem Pass, so dass an den Abend- und Morgenstunden noch einige
schöne Bilder entstehen.
Am heutigen Freitag nimmt ein Freund frei, um mit mir zusammen in der Nähe seines Heimatortes im Süden
von Hirado den Sijiki zu besteigen.
Mir wurde angekündigt, dass der Aufstieg nicht ganz einfach sei. Dieser Berg war früher heilig und durfte
noch vor 25 Jahren nur von Männern barfuß bestiegen werden. Heute ist der Berg für alle
zugängig. Es ist ein sonniger, schwüler Tag. Wir haben vorher noch Mittagessen gekauft, welches wir oben auf
dem Berg essen wollen. Mit im Gepäck sind ein Gaskocher, Wasser, Kaffeebohnen, eine Kaffeemühle,
Onigiri, Cupnoodles, Scones. Der Aufstieg ist tatsächlich recht steil, ich bin froh über meine
Lederhandschuhe, als wir uns mit Hilfe von glücklicherweise vorhandenen Seilen den teilweise sehr
schlüpfrigen und steilen Hang hocharbeiten.
Vom Parkplatz aus geht es über viele steile Treppenstufen zunächst zum ersten Schrein, an dem man die
Berggötter um einen sicheren Aufstieg bitten kann.
Bevor es richtig steil wird, lichtet sich der Wald etwas und wir sehen den Gipfel vor uns aufragen, umkreist von
vielen Krähen. Mir kommen Erinnerungen an Tolkiens Bücher in den Sinn. Im Unterholz wimmelt es von
allerlei Dschungelgetier. Mit großer Begeisterung untersucht mein Freund jeden Pilz, den wir im am Wegrand
sehen.
Der Lohn der Mühe ist ein 360° Rundumblick, 342 Meter über dem Meer.
Nach der Wanderung gönne ich mir noch einen Kilometer Schwimmen im lokalen Schwimmbad, bevor ich mich zum
Abend wieder auf den Pass zurückbegebe.
Auch diese schöne Reise ist nun fast vorbei. Während ich mich schon auf die Heimat freue, denke ich mit einer großen Portion Wehmut an die vielen netten Leute, die mir in den letzten Wochen ihre Zeit geschenkt haben.
Glück ist ja ein sehr subjektives Gefühl. Während in den Triebwerken der A350-900 siebzig Tonnen Dinosauriersaft verbrennen, hat mir die sehr verständnisvolle Lufthansa Chefstewardess zwischen den Mahlzeiten vier Scheiben Vollkornbrot und zwei Päckchen Butter an den Platz gebracht.